Was ist eine Anämie?
Anämie ist ein klinisches Leitsymptom und ein pathologisch-anatomischer Befund, der auf einer Vielzahl von Ursachen beruhen kann. Aufgrund eines potenziell tödlichen Verlaufs bei schweren und progressiven Anämien sind eine möglichst umgehende Ursachenfindung und Therapie angezeigt. Diagnostisch relevant sind hämatologische und zytologische Befunde (z.B. kernfragmenthaltige Retikulozyten sowie Größe, Form und Hämoglobingehalt/Anfärbbarkeit der Erythrozyten) sowie ggf. begleitende Symptome (Ikterus, Leukopenie, Immunsuppression, Gerinnungsstörung, Kachexie). Bei chronischen Anämien werden aufgrund von Kompensationsmechanismen wesentlich geringere Hämatokrit- und Hämoglobinwerte toleriert als bei akuten Verläufen.
Anzeichen für eine Anämie
Klinisch und z.T. auch postmortal manifestiert sich eine Anämie in blassen Schleimhäuten. Je nach Ursache können viele andere Symptome wie Ikterus, Abmagerung, Infektanfälligkeit und Blutgerinnungsstörungen hinzukommen.
Was sind weitere Folgen einer Anämie?
Alle Anämieformen führen zu einer reduzierten Versorgung der Gewebe mit Sauerstoff. Bei schweren Anämien kann dies Gewebsnekrosen verursachen. Besonders empfindlich sind stoffwechselaktive und hypoxieempfindliche Organe, Herz, Gehirn und Niere. In der Leber führen chronische Anämien zu einer meist zentrolobulären hepatozellulären Verfettung , da die Zellen aufgrund der Hypoxie-induzierten Apolipoproteinsynthesestörung Triglyzeride nicht mehr ins Blut abgegeben können.
In Abhängigkeit von der Anämieform werden unterschiedliche Reaktionen der Milz ausgelöst. Im Zuge eines akuten Schockgeschehens (z.B. bei einem raschen Blutverlust) kommt es zur Kontraktion und Entleerung der Milz. Im Gegensatz hierzu kann bei hämolytischen Anämien eine Milzschwellung mit Ablagerung von Blutabbauprodukten sowie bei chronischen Anämien eine extramedulläre Hämatopoese nachgewiesen werden.
Was wird zu Beginn angesehen?
Neben der klinischen Untersuchung ist die Erhebung von Signalement und Vorbericht bei Patienten mit Anämie von großer Bedeutung. Folgende Gesichtspunkte sollten dabei in Betracht gezogen werden:
Rasse und Alter: bei Hund und Katze sind mehrere angeborene Erythrozytendefekte beschrieben, die zu hämolytischen Anämien führen können. Zu den wichtigsten gehören der Pyruvatkinasemangel bei verschiedenen Hunde- und Katzenrassen (unter anderen Basenjis, Beagles, Abessiner, Somali, Europäisch Kurzhaar Katzen) sowie der Phosphofruktokinasemangel bei Hunden (Englisch Springer Spaniel, Amerikanischer Cocker Spaniel, Wachtel, Whippet, aber auch Mischlinge).
Behandlung mit Medikamenten: verschiedenste Medikamente können Hämolyse, Magen-Darm-Blutungen oder Knochenmarkshypoplasien und damit Anämien auslösen.
Auslandsanamnese: da die verschiedenen Infektionserkrankungen, die zu einer Anämie führen können, eine unterschiedliche geografische Verbreitung aufweisen, ist die Erfassung einer detaillierten Reiseanamnese von großer Wichtigkeit.
Blutungen bzw. dunkler Kot: chronische Blutungen in den Magen-Darm-Trakt können zu Eisenmangelanämien führen.
Ektoparasiten: schwerer Flohbefall kann zu Eisenmangelanämien führen und Zecken können verschiedene Infektionserkrankungen, die mit Anämie einhergehen, übertragen.
Welche Arten von Anämien gibt es?
Die Ursachen für Anämie beim Hund sind vielfältig und reichen von Immunstörungen über Blutverlust bis hin zu Störungen der Blutbildung. Eine genaue Diagnose durch den Tierarzt ist daher unerlässlich, um die richtige Behandlung einzuleiten. Egal welche Ursache, Anämie beim Hund sollte stets ernst genommen und professionell betreut werden, um langfristige Schäden zu vermeiden. Die häufigsten Ursachen von Anämie beim Hund lassen sich in drei Hauptkategorien einteilen: hämolytische Anämie, Blutungsanämie und aplastische Anämie. Jede dieser Formen entsteht durch unterschiedliche Auslöser und kann ernsthafte gesundheitliche Probleme beim Hund verursachen.
Hämolytische Anämie
Bei der hämolytischen Anämie wird das rote Blut des Hundes vorzeitig zerstört, was zu einem Mangel an funktionstüchtigen roten Blutkörperchen führt. Die häufigsten Ursachen dafür sind immunreaktive Prozesse, bei denen das eigene Immunsystem die roten Blutkörperchen angreift und zerstört. Diese Form wird auch als Autoimmunhämolytische Anämie (AIHA) bezeichnet. Daneben können auch toxische Substanzen wie bestimmte Gifte und Medikamente eine hämolytische Anämie auslösen. Zudem kommen infektiöse Ursachen infrage, etwa Infektionen durch Parasiten (z.B. Babesiose) oder Bakterien, die die roten Blutkörperchen schädigen.
Blutungsanämie
Eine Blutungsanämie entsteht, wenn der Hund durch Blutverlust eine kritische Menge an roten Blutkörperchen verliert. Ursachen können sowohl innere als auch äußere Blutungen sein. Besonders häufig treten Blutungen durch Organrupturen oder Gefäßverletzungen auf, etwa nach einem Unfall oder einer Verletzung. Auch Tumorblutungen (wie bei Milztumoren oder Darmtumoren) gehören zu den typischen Auslösern. Weitere Ursachen sind Ulkusblutungen (z.B. im Magen-Darm-Trakt), Frakturblutungen oder große Hämatome. Auch Blutgerinnungsstörungen können zu einer Blutungsanämie führen, da das Blut nicht mehr richtig gerinnt und selbst kleinere Verletzungen erhebliche Blutverluste verursachen können.
Aplastische Anämie
Die aplastische Anämie ist eine seltenere, aber schwerwiegende Form, bei der das Knochenmark nicht genügend neue Blutzellen produziert. Dies kann durch toxische Substanzen, bestimmte Medikamente oder Gifte verursacht werden. Auch Leukose, eine bösartige Veränderung der weißen Blutkörperchen, kann die normale Blutbildung im Knochenmark unterdrücken. Ein weiterer häufiger Auslöser ist die chronische Niereninsuffizienz, da die Nieren nicht mehr genügend Erythropoetin produzieren – ein Hormon, das für die Bildung roter Blutkörperchen notwendig ist.
Wie sieht die Therapie aus?
Regenerative Anämien (Blutungs- und hämolytische Anämien) verlaufen i.d.R. deutlich akuter als nicht regenerative Anämien und bedürfen daher einer aggressiveren Therapie. Abhängig vom klinischen Bild sind die Wiederherstellung des Flüssigkeitshaushalts durch Infusionen, Sauerstoffsupplementierung, Transfusionen sowie die Behandlung der Grundursache indiziert.
Was bedeutet das für mich?
Wenn dein Hund an Anämie leidet, ist es unbedingt notwendig, einen Tierarzt oder eine Tierärztin an deiner Seite zu haben, der dir durch diese schwierige Zeit hilft. Anämie ist kein eigenständiges Problem, sondern ein Symptom, das auf verschiedene Erkrankungen hinweisen kann, und die Ursachen sind oft schwer zu erkennen und zu behandeln. Als Hundehalter kannst du in akuten Situationen meist nur wenig selbst tun, da es viel Fachwissen und eine gezielte Diagnose benötigt, um die richtige Behandlung einzuleiten.
Ein erfahrener Tierarzt kann durch entsprechende Untersuchungen die genaue Ursache der Anämie feststellen und entscheiden, welche Therapiemaßnahmen notwendig sind. Es ist besonders wichtig, das Fortschreiten der Anämie regelmäßig zu überwachen, denn je nach Ursache kann sich der Zustand deines Hundes schnell verschlechtern. Bluttransfusionen, spezielle Medikamente oder unterstützende Behandlungen sind oft notwendig, um die Blutwerte zu stabilisieren und die Lebensqualität deines Hundes zu sichern.
In einer akuten Phase ist es für dich als Besitzer kaum möglich, eigenständig zu helfen. Du kannst lediglich dafür sorgen, dass dein Hund Ruhe bekommt, Stress vermeidet und regelmäßig Futter und Wasser zu sich nimmt. Aber eine Behandlung und Überwachung durch einen Tierarzt ist unabdingbar. Es ist wichtig, eng mit deinem Tierarzt zusammenzuarbeiten, um den Krankheitsverlauf genau zu beobachten und die Therapie anzupassen.
Vertraue auf die Expertise deines Tierarztes und scheue dich nicht, auch schwierige Fragen zu stellen. Ein guter Tierarzt wird dir dabei helfen, die bestmögliche Entscheidung für deinen Hund zu treffen und die notwendige Unterstützung zu bieten, um die Situation so gut wie möglich zu bewältigen.
Quellen und relevante Links
Baumgärtner W, Gruber A, Hrsg. Allgemeine Pathologie für die Tiermedizin. 3., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2020.
Baumgärtner W, Gruber A, Hrsg. Spezielle Pathologie für die Tiermedizin. 2., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2020.
Schrey C, Hrsg. Leitsymptome und Leitbefunde bei Hund und Katze. 4., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2019.